Shimon-Peres-Sonderpreis
Aufgrund der dramatischen Situation in Israel nach dem 7. Oktober wurde in diesem Jahr einmalig, zusätzlich zum regulären Shimon Peres Preis, ein Sonderpreis vergeben. Der Preis würdigt das Engagement einer zivilgesellschaftlichen Initiative aus Israel, die nach dem terroristischen Überfall dringend benötigte Hilfe geleistet hat. Auf einzigartige Weise haben sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Resilienz in Israel gestärkt.
© DIZF / Shai Levy & Na‘ama Landau
Preisträger*innen: SAHI für Evakuierte Jugendliche
Ein Projekt von Nochach e. V. – Geben als Lebensentwurf (Israel)
Gerade junge Menschen sind von den Folgen des 7. Oktobers besonders betroffen. Viele waren brutalen Gräueln ausgesetzt und haben Verwandte und Freund*innen verloren. In den ersten
Wochen nach den Angriffen der Hamas wurden viele Jugendliche auf unbestimmte Zeit in temporäre Unterbringungen evakuiert. So wurden die Jugendlichen aus ihrem gewohnten Umfeld und
Routinen gerissen, Viele fühlten sich einsam und hoffnungslos.
Als Reaktion auf die dringenden Bedürfnisse von Jugendlichen startete die Special Hessed (Grace) Unit for Evacuated Youth, kurz SAHI, im November 2023 ein Programm mit evakuierten Jugendlichen in verschiedenen israelischen Städten. Unter dem Motto „Wir sind nicht hier, um euch zu helfen, wir brauchen eure Hilfe, um anderen zu helfen“ treffen sich die Jugendlichen einmal pro Woche abends, packen Hilfspakete und verteilen diese gemeinsam an bedürftige Familien und ältere Menschen.
Das Projekt SAHI bietet den betroffenen evakuierten Jugendlichen einen Unterstützungsrahmen,
in dem sie ihre Selbstwirksamkeit wiedererlangen und das Erfahrene verarbeiten können. Die jungen Menschen erlangen auf diese Weise wieder ein Gefühl von Zugehörigkeit und Sinnhaftigkeit und stärken dabei nicht nur ihre eigene Resilienz, sondern gleichzeitig die ihrer Community.
Shimon-Peres-Preis
Der Shimon-Peres-Preis 2024 wurde an zwei herausragende deutsch-israelische Kooperationsprojekte verliehen, die mit ihrem großartigen Einsatz zur nachhaltigen Stärkung gesellschaftlicher Selbstwirksamkeit beitragen und so die Demokratie stärken. Die ausgezeichneten Projekte fördern auf unterschiedliche Weise Dialog und Begegnung zwischen jungen Menschen in beiden Ländern und engagieren sich dabei insbesondere für Emanzipation und Inklusion. Beide Projekte stehen für Hoffnung und Gemeinschaft und schaffen die Basis für einen positiven Blick in die Zukunft. Dies ist in schweren Zeiten wie diesen wohl wichtiger denn je.
© DIZF / Shai Levy & Na‘ama Landau
Preisträger*innen: PowHer
Ein gemeinsames Projekt von Ludwig Wolker e. V. (Deutschland) und Tzofim Olami (Israel)
„Wir erkennen die Bedeutung unserer Stimme erst, wenn wir zum Schweigen gebracht werden“, sagte die pakistanische Nobelpreisträgerin Malala Yousafzai.
Das deutsch-israelische Kooperationsprojekt PowHer brachte junge Frauen in Berlin, Tel Aviv, Jerusalem und Deir al-Asad in Galiläa zusammen, um einen Raum für Austausch und Empower-
ment zu schaffen. Im Rahmen ihrer Reisen trafen sich die 24 Teilnehmerinnen mit Frauenrechtlerinnen und Unternehmerinnen, diskutierten miteinander über gesellschaftliche Veränderungen, nahmen an Workshops zu Themen wie Alltagssexismus und Diskriminierung teil und unternahmen gemeinsam verschiedene kulturelle Aktivitäten. Ob muslimische, drusische, christliche, jüdische, israelische, deutsche oder geflüchtete Frauen: jede Teilnehmerin brachte ihre Biografie und Erfahrung mit in die Gruppe.
PowHer hat so den Grundstein für ein Netzwerk junger, engagierter Frauen gelegt, die sich über ethnische, religiöse und kulturelle Grenzen hinweg im gemeinsamen Dialog für gesellschaftlichen Wandel in beiden Ländern einsetzen. Das Projekt schuf einen Rahmen, in dem die Teilnehmerinnen ihre Stimme erheben konnten und ermutigt wurden, sich für Gleichberechtigung einzusetzen, gegen Sexismus zu kämpfen und ihre Führungsqualitäten zu stärken.
© DIZF / Shai Levy & Na‘ama Landau
Preisträger*innen: Link Bridge
Ein gemeinsames Projekt von capito Mecklenburg-Vorpommern / Lebenshilfewerk Hagenow gGmbH (Deutschland), Lotem – Natur zugänglich machen (Israel) in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kunst- und Bildungseinrichtungen für Menschen mit Behinderungen in beiden Ländern
Der 7. Oktober und der anschließende Krieg haben die israelische Gesellschaft traumatisiert, fassungslos und verwundet zurückgelassen. In Deutschland sind die Auswirkungen in polarisierten Debatten und einem rapiden Anstieg von Antisemitismus zu spüren. Was bereits für Menschen ohne Behinderungen nur schwer in Worte zu fassen ist, ist für Menschen mit Behinderungen, die auf zusätzliche Barrieren stoßen, ungleich schwerer zu begreifen.
Das israelisch-deutsche Kooperationsprojekt Link Bridge versuchte dies aufzufangen, indem es Menschen mit Behinderungen half, die beängstigende Situation zu verstehen. Hierfür wurden zunächst aktuelle Nachrichten aus Israel in Leichter Sprache erarbeitet und auf Youtube der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Im Anschluss ließen die Teilnehmenden in einem begleiteten Prozess ihre Gefühle und Gedanken in Kunstwerke fließen.
Link Bridge stärkt als länderübergreifendes Inklusionsprojekt die Freundschaft, Anteilnahme und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Deutschland und Israel. Die Kunstwerke – Zeugnis und Erinnerung an das Trauma des 7. Oktobers – werden im Herbst 2024 im Rahmen einer barrierefreien Wanderausstellung in Deutschland und Israel erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
Gewürdigte Initiativen von der Shortlist des Sonderpreises
Da die Auswahl aus den vielen bewegenden und beeindruckenden Bewerbungen auf den diesjährigen Sonderpreis nicht leichtfiel, wurden drei weitere Initiativen von der Shortlist bei der Preisverleihung vorgestellt und lobend erwähnt.
© DIZF / Andrea Kiewel & Ronit Tayar
Shomrim – Emergency Resilience Fund for Israel’s Frontline Journalists
Zwei Wochen nach dem 7. Oktober richtete die Organisation Shomrim – The Center for Media and Democracy einen Notfallfonds für Journalist*innen ein.
Die unabhängige Medienorganisation erkannte den dringenden psycholgischen Bedarf und stellte hunderten von Journalist*innen finanzielle Mittel für Therapien zur Verfügung. Diese therapeutische Unterstützung ist entscheidend, um den Journalist*innen, die im Süden Israels im Einsatz waren, den nötigen Rückhalt zu geben, damit sie ihre Arbeit fortsetzen und den beruflichen, persönlichen sowie psychischen Belastungen besser begegnen können. Dies trägt auch zur Erhaltung der Vielfalt der Stimmen in der israelischen Berichterstattung bei.
© DIZF / Andrea Kiewel & Ronit Tayar
The Daily Postcard
Jeden Tag postet der israelische Künstler Zeev Engelmayer eine neue Postkarte auf seinen Social-Media-Kanälen. Seine bunten Filzstiftbilder thematisieren das Schicksal der Geiseln.
Sie spiegeln auch den Schmerz der Angehörigen wider und werden oft auf deren Wunsch erstellt, verteilt und in vielen Städten ausgestellt. Durch die tägliche Erinnerung an das Leid der Entführten mobilisiert der Künstler Unterstützung für die Geiseln innerhalb der israelischen Gesellschaft. Die Daily Postcards fordern uns alle auf, die Erinnerung an die Menschen in Geiselhaft wach zu halten und schenken den Familien der Entführten und vielen weiteren Menschen in Israel und weltweit Ermutigung, Trost und Hoffnung.
© DIZF / Andrea Kiewel & Ronit Tayar
Sunflowers
Seit Kriegsbeginn betreut Sunflowers 800 Kinder, die Angehörige am 7. Oktober verloren haben, und hat in den betroffenen südlichen Gebieten des Landes Hilfezentren eingerichtet.
Die Organisation bietet psychologische Unterstützung durch erfahrene Trauma-Therapeut*innen sowie Coachings und Begleitung bei alltäglichen Problemen wie z. B. Kindergarten, Schule und Wohnen. Für überlebende Eltern wurde zudem eine Beratungsstelle eingerichtet. Sunflowers betreut nicht nur die Betroffenen, sondern erforscht zusammen mit der Universität Tel Aviv auch die psychischen Risikofaktoren von Waisenkindern. Damit trägt die Organisation wesentlich zur zukünftigen Entwicklung psychosozialer Betreuungsangebote bei.